Mittwoch, 2. Oktober 2013

ÜBER IV: REVOLUTION #3



Liebe Schwestern, Brüder, Mütter, Väter, Cousins ersten bis tausendsten Grades, Schwippschwagers, Bürgerinnen und Bürger, Freundinnen und Freunde. Voller Freude und mit etwas aufrichtiger Rührung räume ich an dieser Stelle mal kurz einer Reihe von wunderbaren Gastbloggern etwas Platz ein. Unsere überaus talentierten Freunde Lorenz Ritter (Werbetexter), Sarah Brendel (Musikerin), Steffen Richter (Journalist), Rainer Buck (Autor), Daniel Monninger (Historiker und Texter) , Jakob Friedrichs (Autor und Comedian) und Jörn Schlüter (Musiker, Produzent, Schreiber für u.a. den Rolling Stone) berichten in vom ihrem ersten Höreindruck betr. unseres neuen Albums „IV:Revolution“, das ab sofort überall erhältlich ist. 


Heute schreibt: Jakob Friedrichs - Autor, Künstler, Paar- und Konfliktberater, Theologe und Prediger. Er arbeitet als "Referent für Popularmusik und neue Spiritualität" bei der EKHN und verschönert die Bühnen dieser Welt mit dem hessischen Musik-Kirchenkabarett superzwei (früher nimmzwei). Neben seinen vielfältigen geistlichen und künstlerischen Aktivitäten schaut er am liebsten Filme oder philosophiert über ein zeitgemäßes Christentum. (Kontakt: jakob@superzwei.de)

IV:Revolution - Stationen einer Freundschaft (Eine Liebeserklärung)

Er hat es wieder getan...!
Es gibt Menschen, die begleiten einen. Selbst wenn man sie nicht oft sieht.
Ich kenne Jens Böttcher seit nunmehr 8 Jahren. Genau genommen, seit dem 2. Juli 2005. Ich weiß das Datum noch so genau, weil an diesem Tag das Weltumspannende Rockfestival Live 8 unter dem tollen Motto "Make Poverty History" gleichzeitig in 10 großen Städten auf der ganzen Welt stattfand. In Deutschland an der Siegessäule in Berlin mit 200.000 Zuschauern. Und wir waren mit superzwei auf dem Weg - nein, nicht dahin, schön wär's gewesen ;-) - sondern nach Hamburg, um dort in einer Pfingstgemeinde aufzutreten. Es sollte übrigens eines der desaströsesten Konzerte in der ganzen nimmzwei/ superzwei Geschichte werden, aber das wussten wir noch nicht, als wir auf der Autobahn gebannt Bono im Radio lauschten, wie er in London mit dem Beatlesklassiker "Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band" Live 8 eröffnete.
Wie gerne wäre ich selber in London oder Berlin dabei gewesen. Und wenn schon nicht on-stage (als unbedeutender christlicher Comedian kann man auch nicht alles vom Leben verlangen, was?), dann doch wenigstens davor. Live dabei. Radio ist eine lausige Alternative (vielleicht wie diese 70er Jahre Sexfilmchen von Oswalt Kolle im Vergleich "to the real thing" - aber egal, ich schweife ab. Denn im Nachhinein bin ich froh, weder in London noch in Berlin vor oder auf der Bühne gestanden zu haben. Sogar unser eigenes Konzertdesaster dieses Abends nehme ich dankbar in Kauf (und es war ein Desaster ohne Gleichen: Die, äh, richtige Band am falschen Ort, nehme ich an; gefühlte Horden von 60 - 120-jährigen, die 15 Minuten nach Beginn unseres Konzertes begannen kopfschüttelnd den Saal zu verlassen, vielleicht weil sie Lobpreis oder Manfred Siebald oder wenigstens den Anton aus Tirol erwartet hatten, aber ganz sicher die Begriffe "christlich" und "Satire" in einem Atemzug für eine blasphemische Kontradiktion hielten - wie auch immer, wir spielten jedenfalls den Saal nahezu leer... Wenn ich Desaster schreibe, meine ich Desaster!). Während überall auf der Welt Millionen von Menschen miteinander für die Abschaffung der Armut rockten, verwaisten wir auf einer pfingstlichen Bühne... Aber ich bin froh an diesem Ort gewesen zu sein und nicht an einem der jenen. Warum? Weil ich sonst diesen seltsamen Herren mit Gangsterhut und Springerstiefeln nicht kennengelernt hätte, der da in unsere Gebetszeit vor dem "Auftritt" platzte, auf mich zuschlappte und "ich bin übrigens der Jens" nuschelte.

Das war jetzt wahrscheinlich die längste Hinführung zu einer Freundschaft, die je geschrieben wurde, was? Wobei, wer regelmäßig die famosen Newsletter des Herrn Jens Böttcher liest, weiß, dass ich mich in guter Gesellschaft befinde ;-) Dort begab es sich also. Am 2.7.2005. Im Hamburger Vorzimmer des Desasterkonzertes schlechthin. Mir war jedenfalls sofort klar, dass hier ein Typ stand, den ich auf keinen Fall wieder verlieren wollte. Und das obwohl mir seine CDs der rosenbrock+böttcher-Ära, die ich immerhin schon mal gehört hatte, gar nicht so recht zusagten (das war mir alles zu over-the-top-christlich und "kanaanäisch"... Sorry, Jens, ich hoffe, du nimmst mir das jetzt nicht übel ;-)).
Aber so geschah es. Wir blieben in Kontakt. Manchmal gemailt, ab und an telefoniert und uns seitdem vielleicht 6 oder 7 mal getroffen. Das ist nicht oft. Einmal davon hat der gute Jens superzwei als Laudator auf der Promikon einen Preis überreicht. Und ein weiteres Mal haben wir gemeinsam unter seiner Regie das Video zu seiner famosen Coverversion unseres "Ich laufe, ich falle" gedreht.   Aber das waren eher "Buisnessmeetings" (wobei ich beim letzten endlich mal Jens tolle Kollaborateure seines Orchesters des Himmlischen Friedens näher kennen lernen durfte, was richtig klasse war). Vor allen Dingen denke ich natürlich an die Handvoll Begegnungen in denen wir bei Kaffee und Wein tatsächlich ein paar Stunden Zeit füreinander hatten. Es waren jedesmal wundergute Treffen, einer geheimnisvollen Seelenverwandtschaft, in denen wir über unsere Musik sprachen, über Kunst, Phillosophie, Theologie und die Ups & Downs unseres Lebens. Über unsere gemeinsame Liebe zu Jesus und zu Johnny Cash und die gemeinsame Irritation über den immer wieder aufpoppenden und nicht tot zu kriegenden christlichen Fundamentalismus. Und auch wenn es nicht viele Treffen dieser Art waren, so überbrückten sie mühelos die Zeit und die KM, die zwischen Hamburg und Frankfurt liegen. Wie gesagt, wundergute Begegnungen der tiefen, einzigartigen Art. Freundschaft eben. Bruderschaft.

Natürlich habe ich sein weiteres künstlerisches Schaffen seit dieser ersten Begegnung im Desastervorzimmer aufmerksam (und vor allem aufmerksamer) verfolgt. Wenn man einen Menschen kennt, hört man ihm ja ganz anders zu. Und wie viel Wonne ist es, einem Jens Böttcher dabei zuzuhören, wie er reift. Als Künstler und als Mensch. So wenig ich mit seinem Schaffen der oben genannten Epoche anfangen konnte, umso mehr überzeugen mich seine Solopfade. Und jedes Album legte hier einen drauf. Was uns endlich zurück zu meinem ersten Satz führt: Jens hat es wieder getan!

Keine Angst, ich mache es jetzt kurz. IV: Revolution ist für mich sein bisher dichtestes Album. Sehr echt, sehr verletzlich. Durchwoben von Tiefsinn und Poesie. Rauem Rock'n Roll und schmachtender Sehnsucht. Abgehtitel tanzen mit folkigem Singer-Songwriting. Und dann ist da natürlich der wundervoll satirisch erste Lagerfeuer-Countrysong "Ich traf Jesus in meinem Stammcafe", bei dem ich am Ende mit Lalalalen durfte (das "Huuh!" ganz am Schluss, das war ich - wenn ich mich recht erinnere :-)). Doch am meisten kann ich von jeher mit der bittersüßen, melancholischen Seite des Böttcher'schen Seelenlebens anfangen. Und Songs wie "der laute Teil der Stille", "4 qm Jazz" (omg - was für ein Titel!) oder "ich denke nicht an dich" fügen seiner bekannten Gabe Schmerzen und Schmerzhaftem etwas Lyrisches, Gnädiges abzugewinnen neue Dimensionen hinzu. Die Antwort ist das Leben. Die Liebe. Gnade. Jenes bangend in eben jene Liebe Gottes tauchen, was Jens immerwiederkehrend in schillernden Farben, Stimmungen und Perspektiven, mal schön und mal verstörend schön besingt, betrauert und umarmt - diese bangende Liebe, von der er weiß und uns erzählt, irritierend schön, rauhbeinig sanft, zerbrochengeflicktauferstandene Liebe. Davon atmet das Album. Das ist seine Revolution. Und auch meine.

Jakob Friedrichs von superzwei


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